Geschlechts- und gendersensibel handeln im Schulalltag

Kreatives Schreiben als gendergerechte Schreibförderung

S. Horst

„Mädchen schlauer – Jungen cooler“? Computerspiele, Gameboy und Playstation „männlich“ - Schreiben und (Bücher) Lesen „uncool“ oder „unmännlich“ ?

Beruflich nach wie vor erfolgreicher als ihre weiblichen Altersgenossinnen, aber mit Texten beschäftigen sich Jungen nur, wenn sie gezwungen werden?

 

Bedenkt man den grundlegenden Zusammenhang von Schreibbereitschaft und –kompetenz, aber auch von Lese- und Schreibkompetenz, kommt das kreative Schreiben beiden Geschlechtern entgegen. Weil die beim kreativen Schreiben zugestandene Offenheit und Freiwilligkeit die Motivation junger Schreiber erstaunlich fördern, ist gerade kreatives Schreiben gut geeignet, die Schreibbereitschaft zu erhöhen. Zudem wird größter Wert auf den individuellen Schaffensprozess gelegt.

 

Die Jungen können aufgrund des zugestandenen Freiheitsgrads und der Wertschätzung der individuellen Imaginationsfähigkeit eine nachhaltige Motivation erfahren: Indem sie selbstständig aus ihrem Repertoire an Schreibmustern auswählen sollen, können sie ihre spezifischen Interessen einbringen und die Funktion des Textes entsprechend aussuchen. Gelegenheiten, über „Monster, Mörder, Aliens…“ zu fantasieren, gibt es im „regulären“ Unterricht sonst kaum.

Die Anregung, für die Textproduktion den Computer zu verwenden, wird von einigen Jungen sehr positiv honoriert, so dass mittels der Faszination für die Medien die eigenverantwortliche Schreibbereitschaft gesteigert wird. Zudem bietet sich das Arbeiten mit dem Portfolio an. V.a. das E-Portfolio kommt den Jungen entgegen, die nach wie vor gegenüber den Mädchen einen Vorsprung im Umgang mit den neuen oder digitalen Medien haben.

Dass die eigenen psychischen Gegebenheiten eingebracht werden können, stärkt wiederum das Selbstvertrauen der Mädchen. Da Sensibilität für die optischen Vorgaben und das Sich-Hineinversetzen in die Atmosphäre eines Bildes grundlegende Korrekturkriterien für kreative Schreibprodukte darstellen, erhält das Empathievermögen als Stärke der Mädchen große Anerkennung. Die Bilder verlangen nach subjektiver Annäherung und Deutung. Zudem erfordert die individuelle Gestaltung des Textes, dass eigene Erfahrungen und Interessen eingebracht werden müssen: Vor allem Bilder mit Pferden kommen erfahrungsgemäß manchen Mädchen besonders entgegen.

Eine sensible, gründliche Heranführung an die Autonomie der Kunst mit möglichst vielen unterschiedlichen Schreibimpulsen wird dem größeren Bedürfnis der Mädchen nach Erläuterung und Anhaltspunkten, aber auch der Prozesshaftigkeit der Schreibkompetenz gerecht. Zudem sollte das den Mädchen wichtige Feedback zur Selbsteinschätzung im Rahmen einer Lesung vor der eigenen oder einer fremden Klasse oder am Schulfesten erfolgen.

Kreatives Schreiben ist nicht nur eine handlungs- und produktionsorientierte Alternative zum traditionellen Schreibunterricht im Fach Deutsch. Es bietet offensichtlich eine Plattform für genderdifferenzierenden Unterricht und kann der gendersensiblen Schreibförderung dienen. Um gendertypische Eigenheiten nicht zu verstärken, können zum Dokumentieren, Präsentieren, Reflektieren und Überarbeiten der Texte bzw. Portfolios verschiedene Sozialformen (wie Partnerarbeit, Karusselldiskussion, Schreibkonferenz…) kommunikativ genutzt werden. Gelungene Textbeispiele mit fremden Perspektiven können so nicht nur großes Erstaunen beim jeweils anderen Geschlecht hervorrufen, sondern die Reflexion des eigenen Wahrnehmungs- und Schreibprozesses anreizen.

Ein entsprechendes Unterrichtsbeispiel finden Sie unter Unterrichtsbeispiele/Deutsch.

 

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