S. Seiler
Grundsätzlich lässt sich feststellen, dass Mädchen im Vergleich zu Jungen bis zum Ende der Pubertät Entwicklungsvorsprünge haben. So fasst der Schweizer Professor für Kinderheilkunde Remo Largo die Befundlage folgendermaßen zusammen:
„Mädchen neigen dazu, sich etwas rascher zu entwickeln als Jungen. Geschlechtsunterschiede finden sich nicht nur bei der Sprachentwicklung, sondern in fast allen Bereichen. Sie sind darauf zurückzuführen, dass die biologische Zeitskala bei Mädchen in jedem Alter etwas weiter fortgeschritten ist als bei Jungen. Mädchen sind bereits bei der Geburt etwas reifer als Jungen. Dieser Reifungsunterschied vergrößert sich noch in der weiteren Entwicklung, was dazu führt, dass Mädchen im Durchschnitt anderthalb Jahre früher in die Pubertät eintreten als die Jungen und die Adoleszenz dementsprechend früher abschließen.“ (R. Largo, Kinderjahre, S. 38)
Diese Befundlage spiegelt die Mehrzahl der subjektiven Eindrücke wider, von denen Lehrkräfte berichten. Entsprechend erfordert Gendersensibilität im Schulalltag, die Unterschiede bewusst wahrzunehmen und das pädagogische Handeln darauf abzustimmen.
Wie bei der gesamten Diskussion zur Gendersensibilität sollte dabei aber nicht folgendes Fazit zur Biologie der Geschlechter vergessen werden: Die Unterschiede zwischen den Geschlechtergruppen sind geringer, als die innerhalb der jeweiligen Geschlechtergruppe.
Außerdem gilt für den Entwicklungsverlauf von Kindern: „Die Geschlechtsunterschiede sollten nicht überbewertet werden. Die mittleren Differenzen zwischen Mädchen und Jungen sind viel kleiner als die Unterschiede von Kind zu Kind“ (R. Largo, Kinderjahre, S. 38). Hinsichtlich der Folgen von Entwicklungsunterschieden gilt auch, dass nicht nur Entwicklungsverzögerungen (= Retardierungen), sondern auch –beschleunigungen (= Akzelerationen) eine Ursache von emotionalen Problemen und Verhaltensauffälligkeiten sein können.
Im Folgenden finden Sie Informationen über qualitative, geschlechtsspezifische Unterschiede im Entwicklungsverlauf, bezogen auf die verschiedenen Entwicklungsbereiche der körperlichen, motorischen, sprachlichen sowie sozio-emotionalen Entwicklung. Unter dem Menüpunkt Sozialpsychologie geht es u. a. um die zentrale Rolle von Attributionsmustern. Thematisiert werden signifikante Befunde zu geschlechtsspezifischen Ursachen-Zuschreibungen für schulische Erfolge und Misserfolge, die das Selbstbild und Leistungsverhalten der Lernenden mitbestimmen und einen großen Einfluss auf das Handeln von Lehrkräften haben.