J. Schlagbauer

Partner- und Gruppenarbeit haben ihren festen Platz im Unterrichtsalltag – aus guten Gründen. Dazu gehört die Förderung sozialer Kompetenzen, die auch für eine gelingende Zusammenarbeit in der Gleichaltrigengruppe unerlässlich sind. Soziale Kompetenzen fördern heißt für die Lehrkraft, über fachlich-inhaltliche Aspekte hinaus diesen Lernbereich in den Blick zu nehmen und bewusst zu gestalten. Genderaspekte spielen dabei eine bedeutende Rolle, da sich bei der Partner- und Gruppenarbeit die Situation der Beteiligten stark verändert. In lehrerzentrierten Unterrichtsphasen läuft die Kommunikation eher selten von SchülerIn zu SchülerIn, häufig dagegen zwischen Lehrkraft und SchülerInnen.

eindimensional

Aus dem von der Lehrkraft gesteuerten Nebeneinander der SchülerInnen soll in der Gruppenarbeit ein Miteinander Gleichaltriger werden:

Netzwerk

 

Das heißt:

Die Distanz zwischen den Teilnehmenden verringert sich in der Gruppe.

Die Interaktion – im Plenum von der Lehrkraft gesteuert – ist innerhalb der Gruppe durch die beteiligten Gleichaltrigen zu strukturieren.

Beides ruft erfahrungsgemäß immer wieder geschlechterbezogenes Rollenverhalten bzw. stereotype Rollenerwartungen auf den Plan. Für die gendersensible Lehrkraft wichtige Überlegungen sind deshalb:

  • Wie werden die Gruppen gebildet?
  • Wie kann Gruppenarbeit dazu beitragen, jenseits von Geschlechterstereotypen für Mädchen und Jungen ein breites Spektrum an Haltungen und Verhaltensweisen zu eröffnen?

 

Gruppen bilden

Drei Möglichkeiten stehen zur Wahl:

  • Die Schülerinnen und Schüler können frei entscheiden.
  • Die Lehrkraft stellt die Gruppen zusammen.
  • Der Zufall entscheidet über die Gruppenzusammensetzung.

 

Freie Wahl – Tendenz zu geschlechterhomogenen Gruppen

Ist es den Schülerinnen und Schülern überlassen, in welcher Gruppe sie mitarbeiten, so ergeben sich erfahrungsgemäß bis hin zur Sekundarstufe II überwiegend gleichgeschlechtliche Gruppen. Auch bei arbeitsteiliger Gruppenarbeit ist häufig nicht das Thema bzw. die Aufgabe ausschlaggebendes Entscheidungskriterium. Vielmehr lässt sich beobachten, dass es für einen großen Teil der SchülerInnen wichtiger ist, in der ‚richtigen’ Gruppe zu sein, und das bedeutet häufig in einer reinen Jungen- bzw. Mädchengruppe. Die Gruppe einigt sich dann erst auf ein Thema.

Das spricht keineswegs dagegen, die Schülerinnen und Schüler frei entscheiden zu lassen. Aus der Genderperspektive kann es im Gegenteil sogar den Intentionen der Lehrkraft entgegenkommen, wenn z.B.

  • die geschlechtshomogene Gruppe den Beteiligten einen geschützten Raum bietet, um in einer (vermeintlichen) Domäne des anderen Geschlechts Sicherheit zu erwerben (sich vor den Jungen bzw. Mädchen nicht schämen müssen und ‚dumme’ Fragen stellen dürfen, im eigenen Tempo vorgehen, eigene Strategien entwickeln)
  • der Schwerpunkt auf der Förderung fächerübergreifender oder überfachlicher Kompetenzen liegt, die besser gelingt, wenn ähnliche Interessen vorliegen und  ein höheres Maß an Vertrauen und Nähe innerhalb der frei gewählten Gruppe gegeben ist als in einer zufällig oder von der Lehrkraft zusammengestellten Gruppe (z.B. Förderung der Lesekompetenz durch freie Wahl der zu bearbeitenden Texte – siehe auch  Unterricht_Leseförderung;  Förderung der Medienkompetenz und Medienerziehung durch Berücksichtigung geschlechtsspezifischer Nutzungsmodalitäten – siehe auch Basiswissen_Medienkonsum sowie Basiswissen_Interessenentwicklung; Förderung der Selbstkompetenz durch die Arbeit an Themen, die eine Auseinandersetzung mit der eigenen Rolle in der Gesellschaft erfordern)

 

Von der Lehrkraft zusammengesetzte Gruppen

Aus guten Gründen kann die Lehrkraft zu der Entscheidung kommen, selbst die Gruppen zu bilden:  Zeitersparnis, Organisation, Klassenklima (um zu verhindern, dass bei freier Wahl möglicherweise/voraussichtlich SchülerInnen ‚übrig bleiben’) oder auch im Hinblick auf gesetzte Lernziele und zu fördernde Kompetenzen bewusst leistungsheterogene bzw. leistungshomogene / gemischt oder getrennt geschlechtliche Gruppen.

Häufig regt sich vonseiten der SchülerInnen Widerstand gegen die Gruppeneinteilung, ausgelöst durch die Zwangszuordnung. Vor allem auch hinsichtlich der Genderthematik besteht ein Unterschied zwischen freiwillig und unfreiwillig gebildeten geschlechtshomogenen Gruppen. Stellt beispielsweise die Physik- oder Informatiklehrkraft Jungengruppen und Mädchengruppen  zusammen, können sich Mädchen diskriminiert fühlen, weil sie vermeintlich als schwächer eingeschätzt werden, obwohl sie sich dem Wettbewerb mit ihren männlichen Mitschülern gewachsen fühlen. Umgekehrt gilt dasselbe für Jungen im Deutsch- oder Fremdsprachenunterricht.

 

Zufällig gebildete Gruppen

Auf mehr oder weniger kreative Weise Gruppen nach dem Zufallsprinzip zu bilden, stößt erfahrungsgemäß bei den Schülerinnen und Schülern auf große Akzeptanz. Selbst in Klassen mit einem ausgeprägten Mädchen- und Jungenlager – häufig auch äußerlich erkennbar an einer heftig verteidigten Sitzordnung in geschlechterhomogenen Blöcken – arbeiten Mädchen und Jungen ohne großen Widerstand und oft sogar gern in Gruppen zusammen, wenn das Los so entscheidet. Auch das kann ein Grund sein, sich für diese Art der Gruppenbildung zu entscheiden, um der Einengung auf rollenkonforme Arbeits- und Verhaltensweisen entgegenzuwirken.