A. Hereth
Begabung und Geschlecht

"Ein bedeutsamer Unterschied zwischen hochbegabten Mädchen und Jungen, so Stapf/Stapf (1996; 7f.), ist darin zu sehen, dass von allen hochbegabten Kindern, die zu einer fachpsychologischen Untersuchung und Beratung gebracht werden, nur 25 % Mädchen sind. Anders ausgedrückt - das Verhältnis von Jungen und Mädchen, die in eine Beratungsstelle kommen ist 3 : 1. Die Autoren schlussfolgern, dass deutlich weniger Mädchen als Jungen identifiziert und von der Familie und Schule gefördert werden. Als Gründe werden genannt:

  • dass die Eltern, insbesondere die Mütter, für die Söhne oft sehr aktiv psychologische Hilfe suchen, an der kognitiven Förderung derTöchter weniger stark beteiligtsind und seltener an eine sehr hohe Begabung glauben.
  • Außerdem fallen die Mädchen in Kindergarten und Schule seltener durch stark störendes Verhalten, Clownerien etc. auf, das bei Jungen zu 76 % und bei Mädchen nur zu 24 % der Fälle Anlass für eine psychologische Beratung darstellt. Mädchen reagieren auf die Unterforderung in Kindergarten und Schule mit Lustlosigkeit, depressiver Verstimmung, psychosomatischen Beschwerden wie Kopf- und Bauchschmerzen.
  • Die oben genannte soziale Orientierung des weiblichen Geschlechts ist auch hier für die Mädchen eher hemmend. Da es für sie wichtiger ist, in der Gruppe der gleichaltrigen Mädchen akzeptiert zu sein, passen sie sich oft den Leistungen und Interessen der Mitschülerinnen an: sie wollen noch viel stärker als Jungen auf keinen Fall anders sein als die anderen Kinder. Weiterhin von Nachteil ist die erhöhte Entwicklungsgeschwindigkeit der Mädchen, die zumindest bis zur Pubertät dadurch noch deutlicher unterfordert sind als Jungen. Dies zeigt sich in unserer Untersuchung einerseits an den stärkeren Klagen der Mädchen über Langeweile in der Schule, andererseits an der im Vergleich zu hochbegabten Jungen noch häufigeren Bevorzugung von älternen Spielpartnern. 

Eine ganze Reihe interessanter Daten und Schlussfolgerungen haben Wilhelm Wieczerkowski und Tania Prado veröffentlicht (vgl. 1990; 61 ff.)


Die geringeren Chancen von hochbegabten Mädchen auf befriedigende Lebensverwirklichung bei Nutzung ihrer geistigen und sozialen Bedürfnisse sehen Stapf und Stapf:

  • in der Vermeidung von Konkurrenz mit Männern,
  • in geringem Selbstvertrauen insbesondere in "männlichen" Domänen,
  • im breiteren Interessensspektrum,
  • in der sozialen Orientierung (an Beruf und Familie), d. h. eine nicht so extreme Spezialisierung mit Interessen an Höchstleistungen."

Quellenangabe: Trautmann T. 2005, Einführung in die Hochbegabtenpädagogik, Schneider-Verlag, S. 37

 

"Lösungsansätze sehen die Autoren in vier Punkten: 

  1. Eine frühe Identifikation und möglichst zeitige Einschulung hochbegabter Madchen (eher mit fünf Jahren als mIt sechs Jahren) erscheint entwicklungsförderlich,
  2. Permanente Aufklärung aller Beteiligten und Akzeptanz durch Eltern, Erzieher und Lehrer, dIe im Resultat auch zu Fördermaßnahmen führen
  3. Förderung des Selbstbewusstsein, insbesondere in Mathematik und den Naturwissenschaften,
  4. Bei Gruppen und Kursen von hochbegabten Kindern einzelne Kurse nur für Mädchen anbieten."
Quellenangabe: Trautmann T. 2005, Einführung in die Hochbegabtenpädagogik, Schneider-Verlag, S. 38
 
Weiterführende Informationen
  • Ein kostenloses Coaching-Angebot für Mädchen, die Spaß daran haben, sich mit MINT zu beschäftigen, stellt das "CyberMentor"-Projekt dar. Jeder Schülerin wird eine persönliche Ansprachepaternin zugeordnet. Als Mentorinnen engagieren sich ehrenamtlich Akademikerinnen, die im MINT-Bereich von Wirtschaft und Wissenschaft tätig sind. Die CyberMentor-Online-Plattform bietet umfassende Informationen zu MINT und Mentoring. Über Mail, Chat und Forum können die Teilneherimmen mit Schülerinnen und Mentorinnen aus ganz Deutschland in Kontakt treten, gemeinsam Projekte bearbeiten und die Vielfalt der MINT-Bereiche entdecken: https://www.cybermentor.de/
  • Zusammenstellung von Foschungsbefunden bzgl. der Geschlechtsunterschiede Hochbegabter PDF 
  • zum Weiterlesen: Stapf, A. (2010) Hochbegabte Jungen und Mädchen, ein Geschlechtervergleich. In Hochbegabte Kinder Persönlichkeit/Entwicklung/Förderung, C.H, Beck, S 63 - 88

 


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Hochbegabung

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Qualifizierte Ansprechpartner zum Thema "Besondere Begabungen finden und fördern" finden Sie an allen Staatlichen Schulberatungsstellen sowie den Dienststellen der Ministerialbeauftragen (Realschulen; Gymnasien)