A. Hereth, S. Seiler

 
1. Wichtige genderspezifische Aspekte zur Autismus-Symptomatik

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In der International Classification of Deseases (= ICD, gegenwärtig gültige Version= ICD10), welche die Standards für die Vergabe von Psychiatrischen Diagnosen in Europa vorgibt, wird der Autismus unter den „tiefgreifenden Entwicklungsstörungen" gefasst. Zukünftig werden diese Störungsbilder (in Anlehnung an das aktuelle, amerikanische Klassifikationssystem DSM) anders, nämlich als sog. „low funktioning autism" (aktuell etwa „frühkindlicher Autismus") und „high funktioning autism" (aktuell etwa „Asperger Autismus") diagnostiziert werden.

Relevant sind vor allem drei Störungen:

  • Der „frühkindliche Autismus" (ICD10: F84.0 oder „low funktioning autism"), der oftmals mit einer Intelligenzminderung einhergeht und zudem häufig starke Beeinträchtigungen im Spracherwerb bedingt (etwa 1/3 der Betroffenen entwickeln nur eingeschränkte oder keine Sprachfertigkeiten);
  • Der „atypische Autismus" (ICD10: F84.1), der kein Vollbild der Symptomatik zeigt;
  • Das „Asperger-Syndrom" (oder „high funktioning autism"), welches ohne Intelligenzminderung und später - im Vorschul- oder Grundschulalter - auftritt und bei dem die Betroffenen normale sprachliche Fähigkeiten entwickeln.  

In Hinblick auf das Thema gendersensible unterrichten ist es wichtig zu wissen, dass das Geschlechterverhältnis Jungen zu Mädchen bei den unterschiedlichen Formen des Autismus etwa 4:1 ist und damit weit mehr Jungen als Mädchen betroffen sind. Hinsichtlich der Inklusion autistischer Kinder ist deshalb davon auszugehen, dass die Zielgruppe hauptsächlich männlichen Geschlechts ist. 

 

Zwei der drei Hauptbereiche von Symptomen, die mit dem Autismus einhergehen, sind:

1. Die qualitative Beeinträchtigung gegenseitiger Interaktion

  • ein „eingeschränktes nonverbales Verhalten" (eingeschränkter Blickkontakt, wenig Mimik und Gestik, reduziertes soziales Lächeln)
  • die „mangelnde Fähigkeit Kontakt zu Gleichaltrigen herzustellen"
  • der „Mangel an sozio-emotionaler Gegenseitigkeit" (keine oder unangemessene Annäherung, unangemessene Reaktionen, verminderte Empathie, verminderte Fähigkeit soziale Signale einzuschätzen)

2. Die qualitative Beeinträchtigung der Kommunikation

  • etwa ein Drittel aller autistischen Kinder entwickeln keine oder eingeschränkte Sprache
  • sprachliche Einschränkungen bei Autisten werden nicht durch Gestik kompensiert
  • es gibt sog. „Besonderheiten der Sprache" (Wortneuschöpfungen, Vertauschung der Personalpronomina, Nachsprechen von Worten/Echolalie, veränderte Sprechmelodie/Monotonie/affektierte Sprache)
  • es gibt eine „Kommunikationsstörung bei vorhandener Sprache" (bezogen auf die Fähigkeit zum Beginn und zur Aufrechterhaltung der Kommunikation, Monologisierung, gestelzte Sprache).

Auffallend ist, dass die genannten Symptome zumeist Kompetenzen betreffen, die Mädchen in stärkerem Maße zugeschrieben werden als Jungen. Die höheren Häufigkeiten (= Prävalenzraten) Autistischer Störungen bei Jungen korrespondieren mit den Defiziten der männlichen Kinder bei der Entwicklung von Basisfertigkeiten im sprachlichen und sozialen Bereich (siehe unter Basiswissen/Psychologisch/Sprachentwicklung und Basiswissen/Psychologisch/Soziale Entwicklung).

 

 

2. Wichtige genderspezifische Aspekte zur ADHS-Symptomatik

In der International Classification of Deseases (= ICD, gegenwärtig gültige Version= ICD10), welche die Standards für die Vergabe von Psychiatrischen Diagnosen in Europa vorgibt, werden die Formen des Aufmerksamkeits-Defizit-Hyperaktivitäts-Syndroms (=ADHS) unter die sog. „externalisierenden" Störungsbilder gefasst. Das sind die Störungen, deren Symptomatik nach außen gerichtet ist. Hierzu zählen die unterschiedlichen Formen der Aufmerksamkeits- und Aktivitätsstörung sowie die unterschiedlichen Formen der Sozialverhaltensstörungen.

Hinsichtlich der Formen des sog. ADHS werden unterschieden:

  • Einfache Aktivitäts- und Aufmerksamkeitsstörung (ICD F90.0)
  • Hyperkinetische Störung des Sozialverhaltens (ICD F90.1)
  • Aufmerksamkeitsstörung ohne Hyperaktivität (ICD F98.8)

Die Leitsymptome des ADHS sind drei Bereichen zuzuordnen, wobei jeweils Subtypen danach zu differenzieren sind, welche Symptome stärker im Vordergrund stehen bzw. nicht zutreffen:

  • Beeinträchtigung der Aufmerksamkeit
  • Überaktivität/Hyperaktivität, Steigerung der Motorik
  • gesteigerte Impulsivität
Von Relevanz für das Thema gendersensibel unterrichten bzw. Inklusion ist, dass diese Störungsbilder deutlich häufiger beim männlichen als beim weiblichen Geschlecht vorliegen. So wird in Hinblick auf die Prävalenz das Geschlechterverhältnis männlich zu weiblich bei hyperkinetischen Störungen auf 8:1 geschätzt, d. h. auf eine weibliche Patientin mit ADHS kommen 8 männliche Patienten. Hinsichtlich der Sozialverhaltensstörung wird das Verhältnis von Jungen zu Mädchen mit etwa 4:1 eingeschätzt. Hinsichtlich der Inklusion von Kindern mit ADHS-Symptomatik ist deshalb davon auszugehen, dass die Zielgruppe hauptsächlich männlichen Geschlechts ist.

 

 

Siehe auch unter Motorische Entwicklung und Soziale Entwicklung sowie unter Störungsbilder und Diskussion.

 

3. Weitere Informationen

 

Exemplarische Informationen in Hinblick auf Genderaspekte für das Thema Inklusion finden Sie auf diesem Portal unter Handlungswissen / Psychologisch, beispielsweise unter den  Menüpunkten:

- Psychische Störungen

- Passungsprobleme

- Störungsbilder-Prävalenzen

- Aggression

- Persönlichkeitsstörungen.

 

Umfangreiche grundlegende und weiterführende Informationen zum Thema Inklusion im Allgemeinen bieten folgende Handreichungen des Staatsinstituts für Schulqualität und Bildungsforschung (= ISB)  bzw. das Portal "Inklusion - Schüler mit Behinderung und sonderpädagogischem Förderbedarf an Bayerns Schulen" des Bayerischen Staatsministeriums für Unterricht und Kultus, Wissenschaft und Kunst:

  • Handreichungen des ISB: Inklusion an Schulen in Bayern. Informationen für Beratungslehrkräfte und Schulpsychologen PDF und Inklusion an der Schule unterstützen PDF
  • Portal des StMBKWK: Portal Inklusion - Schüler mit Behinderung und sonderpädagogischem Förderbedarf an Bayerns Schulen