V. Schroll
In den MINT-Fächern gibt es unterschiedliche Rollenzuweisungen. Aufgrund herrschender Rollenstereotype wird Physik als Fach besonders stark den Jungen zugeordnet.
Mädchen und Jungen bringen gleiche kognitive Leistungsvoraussetzungen für den Physikunterricht mit, aber im Durchschnitt
- besitzen Mädchen ein geringeres physikalisches Vorwissen als Jungen,
- schätzen Mädchen ihre physikalische Kompetenz wesentlich niedriger ein als Jungen,
- äußern Mädchen ein geringeres Interesse an Physik, wobei die Aussage „Physik ist nur etwas für Jungen“ auffallend hoch bewertet wird.
Die folgenden zehn Aspekte zeigen auf, worauf Lehrkräfte bei Auswahl und Entwicklung von Unterrichtsmaterialien und bei der Interaktion in der Klasse achten können, um Geschlechterstereotype aufzubrechen:
Kriterien für einen geschlechtergerechten Unterricht bei Auswahl und Entwicklung von Unterrichtsmaterialien
- Vorerfahrungen und Interessen Knüpfen wir an die mathematischen/physikalischen Vorerfahrungen und Interessen von Mädchen und Jungen an? Erhalten sie die Möglichkeit, fehlende Erfahrungen im Physikunterricht nachzuholen und Lücken im Mathematikunterricht auszugleichen?
- Kontextbezug Sind die physikalischen/mathematischen Inhalte in einen Kontext eingebettet, der den Schülerinnen und Schülern vertraut ist oder für den sie sich besonders interessieren? Haben sie Gelegenheit zu staunen und neugierig zu werden? Können sie sich an der Ästhetik der Inhalte erfreuen?
- Kommunikation und Kooperation Sind Unterrichtsformen möglich, die kommunikative Prozesse zwischen den Jugendlichen initiieren? Wird zwischen verschiedenen Sozialformen gewechselt?
- Identifikationsmöglichkeiten Treten in Bildern und Texten gleich viele Frauen und Männer auf? Werden Frauen als aktiv Handelnde und nicht in alten Rollenklischees gezeigt?
- Monogeschlechtliche Gruppen Können die Lernenden ab und zu in reinen Mädchen- bzw. Jungengruppen arbeiten?
Kriterien für Interaktionen in einem geschlechtergerechten Unterricht
- Geschlechtergerechte Sprache Spreche ich Schülerinnen und Schüler in der weiblichen und männlichen Form an?
- Alltagssprache und Fachsprache Wird im Unterricht von der Alltagssprache ausgegangen, um aus dieser die Fachsprache und die mathematischen Formulierungen zu entwickeln?
- Selbstwert und Erfahrung von Fachkompetenz Bemühe ich mich darum, nicht den Eindruck entstehen zu lassen, Mathematik/ Physik sei nur etwas für Hochbegabte? Werden die Jugendlichen gezielt dadurch motiviert, dass gute Leistung auf Begabung und schlechte auf mangelnde Anstrengung zurückgeführt wird?
- Fähigkeit der Lehrperson, für ihr Fach zu begeistern Nütze ich als Lehrkraft die Gelegenheiten, die Schönheit meines Faches darzustellen und zu erzählen, was mich an dem Fach fasziniert?
- Situative Reaktion Nutze ich als Lehrperson die Chance und nehme das Thema Geschlechterrollen gerade in dem Moment auf, wenn ein äußerer Anlass dazu besteht?
(Dr. Peter Labudde, Bern, Naturwissenschaft im Unterricht, Physik, Heft 49, Februar 1999, 10. Jahrgang) https://www.fhnw.ch/de/personen/peter-labudde