Geschlechts- und gendersensibel handeln im Schulalltag

Astrid Jahreiß

Auf der Suche nach dem Welterbeschatz

Eine GPS-Geo-Tour durch die Altstadt Bamberg, gendersensibel arrangiert

„Jungen interessieren sich für Geräte wie Kompass oder GPS-Empfänger, Mädchen beschäftigen sich lieber mit Atlaskarten!“ Im Sinne der jüngeren pädagogischen Genderforschung wirken solche und ähnliche auf den Unterricht bezogene, geschlechterdifferenzierenden Aussagen eher pauschal oder stereotyp. Planung und Gestaltung von Geographieunterricht sollte sich deshalb weniger von (vermeintlich) geschlechtsabhängigen Arbeitsweisen oder Interessen leiten lassen. Stattdessen sind weit mehr Zeitfenster zu berücksichtigen, um geschlechtsneutral reflektieren zu können. Dabei spielen im Kontext geographischer Themen die individuellen Erfahrungen, Bedürfnisse, Meinungen, Erwartungen, Wahrnehmungen oder (Wert-)Vorstellungen der Schülerinnen und Schüler ebenso eine Rolle wie ein eventuell tradiertes Rollenverständnis in verschiedenen Sozial- und Kulturräumen. Vielfalt und Andersartigkeit in multiperspektivischen Betrachtungen als Bereicherung zu empfinden, hierzu die eigene Position zu überdenken und möglicherweise nach der gedanklichen Auseinandersetzung auch den Mut zu Veränderungen aufzubringen, sind Bildungsaufgaben des Faches Geographie. Dies gilt sowohl bei persönlichen, als auch bei lokalen, nationalen sowie globalen Handlungsfeldern.


Die Unterrichtssequenz „Auf der Suche nach dem Welterbeschatz“ bietet derartige Reflexionsphasen. Gendersensibel ist auch der Einsatz von geographischen Geräten und Karten bei der GPS-Geo-Tour arrangiert. Ähnlich wie die Trendsportart Geocaching kann sie als Variante der modernen Schatzsuche mit GPS-Geräten und digitalen Karten bezeichnet werden, allerdings in zu Unterrichtszwecken modifizierter Weise.

 

Planung und Organisation von GPS-Geo-Touren
Um GPS-Geo-Touren für den Unterricht zu entwickeln und mit Schülerinnen und Schülern durchzuführen, bedarf es einiger Informationen zu Funktionen und Bedienung von GPS-Geräten oder zu Verleihstellen. Des Weiteren sind Kenntnisse über die Spielidee des Geocachings, seiner Varianten sowie über Modifizierungsmöglichkeiten für die unterrichtliche Nutzung oder über verschiedene Organisationsformen bei der Durchführung mit mehreren Teams notwendig. Einen Überblick hierzu verschafft die Handreichung zu GPS-Geo-Touren für Lehrkräfte PDF

Route durch einen Teil der UNESCO-Welterbestätte Altstadt Bamberg

Bambergs Altstadt ist seit 1993 UNESCO-Welterbestätte. Das Gebiet umfasst ca. 142 Hektar und gliedert sich in die drei historischen Stadtbezirke Berg-, Insel- und Gärtnerstadt. Die Aufnahme in die Welterbeliste begründet sich durch den „außergewöhnlichen Wert“ der auf frühmittelalterliche Grundstrukturen aufbauenden mitteleuropäischen Stadt. Dieses kulturelle Erbe ist nicht nur lokal, sondern darüber hinaus auch national und global von Bedeutung (nach: P. Alberth, Leiterin des Zentrums Welterbe Bamberg).
Die GPS-Geo-Tour durch das Welterbe Altstadt Bamberg folgt einem Teilabschnitt des im Jahr 2005 eröffneten Fluss-Erlebnis-Pfades, beschränkt sich allerdings auf die zwei Standorte „Alter Hafen / Untere Brücke“ und „Fischerei“. Der Zielpunkt mit Hinweisschild, wo die Schatzkiste geöffnet werden kann, befindet sich in der Nähe der „Fleischhalle“, dem historischen Schlachthaus am alten Hafen.
Die einzelnen Stationen werden mit GPS-Geräten angesteuert. Dort angekommen, müssen von den Gruppen „Caches“ (versteckte Frischhaltedosen) gefunden werden. Die Behälter beinhalten Heftchen in der jeweiligen Teamfarbe. Um die darin abgedruckten Aufgaben zu lösen, erkunden die Schülerinnen und Schüler zunächst die unmittelbare Umgebung. Anschließend ermitteln sie über Rätsel die geographischen Koordinaten für die nächste Cache-Position, geben sie in ihr GPS-Gerät ein und machen sich auf den Weg zur nächsten Station. Die Heftchen werden von den Gruppen mitgenommen, denn sie verraten am Ende der Tour den Code für die Zahlenschlösser an der Schatzkiste. Zur Bewältigung der Aufgaben und zum Aufspüren der Verstecke und letztendlich des Welterbeschatzes sind vielfältige geographische Kompetenzen erforderlich.

 

Kompetenzerwartungen und Inhalte nach LehrplanPLUS

Der Fachlehrplan Geographie für bayerische Gymnasien weist für die Jahrgangsstufe 5 folgende Kompetenzerwartungen und Inhalte aus:

Geo5 Lernbereich 1: Geographische Arbeitstechniken

Die Inhalte, an denen die Kompetenzen erworben werden, sind von der Lehrkraft frei wählbar.

Kompetenzerwartungen:

Die Schülerinnen und Schüler …

  • arbeiten grundlegende Informationen aus verschiedenen Kartenarten (…) heraus.
  • wenden Möglichkeiten der räumlichen Orientierung an, z.B. (…), Karten, digitale Geomedien.
  • bestimmen Himmelsrichtungen, Lage im Gradnetz, (…).
  • werten einfache Sachtexte, Bilder, (…) aus.
  • legen übersichtliche Tabellen an, (…).
  • erstellen Kartenskizzen, (…).
  • beteiligen sich an der Durchführung einer vorbereiteten themenorientierten Erkundung im Rahmen einer Exkursion oder eines Unterrichtsganges.

Geo5 Lernbereich 2: Planet Erde

Kompetenzerwartungen:

Die Schülerinnen und Schüler …

  • wenden ausgehend von ihrer Kenntnis des Heimatraumes und den im Heimat- und Sachunterricht erworbenen Kompetenzen Möglichkeiten der Orientierung im Raum an, um über räumliche Vorstellungen auf verschiedenen Maßstabsebenen zu verfügen.
  • zeigen die Notwendigkeit zum Schutz der Erde auf (…).

Inhalte zu den Kompetenzen:

  • Orientierung auf der Erde mit (…), Karten und digitalen Geomedien: Himmelsrichtungen, Gradnetz, (…)
  • Regionaler Rückblick / globale Erweiterung: z.B. Orientierung in der eigenen Lebenswelt, Erstellen einer Kartenskizze im Rahmen eines Unterrichtsgangs, Geocaching

Geo5 Lernbereich 5: Städtische Räume in Bayern und Deutschland

Kompetenzerwartungen:

Die Schülerinnen und Schüler …

  • orientieren sich mit geeigneten Karten in städtischen Räumen.
  • präsentieren eigene Ideen zur nachhaltigen Sicherung der Lebensqualität, z.B. im Bereich Verkehr, (…), Infrastruktur.

Inhalte zu den Kompetenzen:

  • Stadtentwicklung an einem Beispiel: historische Grundlagen, (…), Merkmale und funktionale Gliederung
  • Umbau der Städte als Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung

Quelle: http://www.lehrplanplus.bayern.de/fachlehrplan/gymnasium/5/geographie, hier verkürzt

Ähnliche Lernbereiche mit entsprechenden Kompetenzerwartungen und Inhalten finden sich auch im LehrplanPLUS für Realschule, Geo5, LB 1, 3, 5 und 6 oder für Mittelschule, G/P/G6, LB 1, 2 und 3. Sie führen fort die Lernbereiche HSU3/4 LB 5.1 und LB 5.2 der Grundschule (vgl. dazu https://www.lehrplanplus.bayern.de, Stand: November 2016).

 

Gendersensible Sequenzplanung
Die GPS-Geo-Tour durch die Altstadt Bambergs ist eingebettet in eine Vorbereitungs- und Nachbereitungsphase. Um ausreichend Zeit für den Erfahrungsaustausch und für die Erprobung von GPS-Geräten sowie für geschlechtsunabhängige, individuelle Auseinandersetzungen mit den eigenen Bedürfnissen und Interessen einzuräumen, sollte die erste Unterrichtseinheit „GPS – ein satellitengestütztes Positionsbestimmungssystem zur (professionellen) Schatzsuche“ als Doppelstunde konzipiert werden. Als wesentliche Reflexionsimpulse dienen die Kurzbewerbungen der Schülerinnen und Schüler auf geschlechtsneutral ausgeschriebene Stellen der Firma „Profi-Cacher“, die den Auftrag erhalten hat, in Bambergs Altstadt den Welterbeschatz zu suchen. Vorschläge zum Ablauf und zu Arbeitsblättern finden sich im Materialienpaket der Vorbereitungsstunde PDF

Die „Anker-Geschichte“ wird in der von den Schülerinnen und Schülern durchzuführenden GPS-Geo-Tour wieder aufgegriffen. Die einzelnen Teams setzen sich aus Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Firma „Profi-Cacher“ zusammen, die entsprechend ihrer Bewerbungen für spezielle Tätigkeitsbereiche eingestellt wurden. Die Gruppen werden jeweils mit einem GPS-Gerät, einem Handbuch der Firma und mit drei versiegelten „Notfall“-Briefen zu den Cache-Standorten sowie einem Smartphone (Kontaktaufnahme mit Lehrkraft, Fotos) ausgestattet. Als Firmeninhaber leiten Tom und Klara Schatz in den Aufgabenheften, die für jedes Team in ihren Farben in den Verstecken hinterlegt sind, die jeweiligen Gruppen an und unterstützen sie schriftlich bei ihrer Arbeit. Die Tour endet am Hinweisschild, auf dem die Lehrkraft den Weg zur Schatzkiste notiert hat. Im Depot können die Zahlenschlösser der Truhe nur mit den von der Lehrerin oder dem Lehrer vorab in die Hefte eingetragenen Schlüssel-Ziffern und mit Hilfe der bereit gelegten Farbschablone geöffnet werden. Sämtliche Materialien sind zusammengefasst im Unterrichtspaket für die GPS-Geo-Tour PDF. Die Aufgabenhefte für den 1. Cache PDF und für den 2. Cache  PDF sollten auf farbigem Papier ausgedruckt werden. Die Handbücher der Firma „Profi-Cacher“ PDF werden ebenso wie die Arbeitshefte als Broschüre gedruckt und gefaltet.


Die nachbereitende Doppelstunde „Welterbe Altstadt Bamberg – ein wertvoller Schatz!?“ eröffnet nochmals viele Möglichkeiten zur Diskussion und gedanklichen Auseinandersetzung mit Einstellungen, Meinungen, Wahrnehmungen oder Erfahrungen. Sie werden in Bezug auf die eigene Position, das eigene Tun und Handeln gemäß individueller Bedürfnisse und gesellschaftlicher oder sozialer Kontexte reflektiert. Inhaltlich geschieht dies auf zwei Ebenen. Einmal steht mit „Welterbe“ der Wert des kulturellen Erbes im Fokus, dann aber auch der persönliche „Schatz“ gemachter Erfahrungen, Änderungen an Lebenssituationen vornehmen zu können. Vorschläge zum Ablauf und zu Arbeitsblättern finden sich im Materialienpaket der Nachbereitungsstunde PDF

 

Möglichkeiten der Weiterführung
Die durchgeführte Sequenz könnte als Anstoß eines Projektes dienen, bei dem Schülerinnen und Schüler selbst GPS-Geo-Touren entwickeln. Diese können konzipiert werden in verschiedenen Schwierigkeitsgraden oder zu unterschiedlichen Themen. Sie bieten Zeitfenster zur geschlechtsneutralen Reflexion und führen zu Handlungsimpulsen, das Leben in der Welterbestadt Bamberg zu bereichern.

 

Literatur
Hierzu sei auf die Auflistung in der Handreichung zu GPS-Geo-Touren für Lehrkräfte und die Angaben bei den Unterrichtsmaterialien verwiesen.

 

Links
https://www.lehrplanplus.bayern.de (23.11.16)
https://www.stadt.bamberg.de/index.phtml?mNavID=1829.2&sNavID=1829.12&La=1 (23.11.16)
Interview mit Frau P. Alberth, Leiterin des Zentrums Welterbe Bamberg

 

 

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